Glossar

Begriffe rund ums Thema Menschenhandel kurz erklärt

Das Milieu ist ganz allgemein die Umgebung, der Lebensraum einer Gruppe. In diesem Fall geht es um das Rotlichtviertel einer Stadt. Wer in der Aufsuchenden Milieuarbeit tätig ist, geht zu den Frauen und Männern hin, wo sie sich prostituieren: Auf dem Strassenstrich, in Clubs, Kontaktbars, Studios, Cabarets oder bei Grossanlässen. Es geht darum, den Menschen Wert zu vermitteln, Kontakte zu knüpfen und auf unterstützende Angebote aufmerksam zu machen. Dabei ergänzen sich Besuche und Empfang in Räumlichkeiten vor Ort, in denen die Frauen und Männer willkommen sind. Viele Organisationen bieten hier niederschwellige Beratung, juristische Auskünfte, Begleitung bei amtlichen Terminen oder Arztbesuchen, helfen mit der Sprache, materiellen Spenden und unterstützen auf Wunsch den Ausstieg aus der Prostitution. Manche Organisationen führen ein Café, bieten Mahlzeiten, Gespräche, Maniküre oder eine wohltuende Massage in einem geschützten Rahmen an.

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Freiwilligkeit ist ein grosses Thema beim Menschenhandel. Schon die Definition, nicht erst die Auslegung des Begriffs verändert die Tragweite. Aus juristischer Sicht ist die Frage nach den Tatmitteln damit verknüpft: Auf welche Art kam das Einverständnis der betroffenen Person zustande? Aus ethischer Sicht geht es um die Frage, inwiefern ein Mensch sein Leben frei gestalten kann und darf. Und eine psychologische Betrachtung wirft Fragen dazu auf, wie Menschen überhaupt zu einer Entscheidung kommen.

Von verschiedenen Seiten wird mit dem freien Willen und der Selbstbestimmung der betroffenen Personen argumentiert. Unter welchen Bedingungen sind diese tatsächlich gegeben? Je nach Verständnis, welche Faktoren die Handlungsfreiheit eines Menschen mitgestalten, ziehen die Vertreter der jeweiligen Seite unterschiedliche Schlüsse. Die Diskussion beleuchtet daher den Einfluss bestimmter Lebensumstände und Erfahrungen auf den Entscheidungsprozess sowie die Handlungsoptionen einer Person. Beispiele dafür sind Armut, fehlende Perspektiven, Krieg, Naturkatastrophen, Religion oder Traumata.

Die Expertengruppe des Europarates gegen Menschenhandel wurde 2009 geschaffen und unterstützt die Vertragsstaaten in der Umsetzung der Massnahmen der Europarechtskonvention. Dafür setzt sie für jeden Berichtszyklus fest, welche Bestimmungen des Übereinkommens überprüft werden, woraus sie einen spezifischen Fragebogen erstellt. Dieser wird von den jeweiligen Behörden des Landes und von zivilen Organisationen (NGOs, Forschungszentren, Gewerkschaften, etc.) beantwortet. Anschliessend folgt ein Besuch, um vor Ort mit den Behörden und Organisationen auszutauschen. Diese intensive Auseinandersetzung ist die Basis für den Entwurf des Evaluationsberichts. Dieser geht an den Ausschuss der Vertragsparteien, der Empfehlungen an den jeweiligen Vertragssaat verfasst. Die Länder haben die Möglichkeit, den Entwurf zu kommentieren, bevor der Ausschuss den Abschlussbericht finalisiert. Die Länderberichte sowie der aktuelle Fragebogen sind auf der Website des Europarates öffentlich zugänglich. Einen Einblick in diesen gemeinsamen Prozess gibt der Nationale Aktionsplan gegen Menschenhandel 2017 – 2020. Darin hat die Schweiz die Empfehlungen aufgegriffen und kommentiert.

Das Herkunftsland ist die Heimat der Menschen. Viele werden also zu Hause rekrutiert, um in einem anderen, dem sogenannten Zielland, ausgebeutet zu werden. Bei den Herkunftsländern handelt es sich oft um Entwicklungsländer, in denen prekäre Situationen herrschen. Die Menschen wünschen sich schlicht eine bessere Zukunft für sich selbst und ihre Kinder.

Transit- oder Durchgangsländer liegen zwischen Herkunfts- und Zielland. Es gibt typische Reiserouten, und meist sind die Transporte durch verschiedene Beteiligte bestens organisiert.

Die Schweiz ist sowohl Transit – als auch Zielland. So landen z.B. Menschen vom afrikanischen Kontinent in Italien und werden über die Schweiz bspw. nach Deutschland gebracht. Der hohe Lebensstandard, der Reichtum sowie bestimmte Gesetzgebungen machen die Schweiz ausserdem selbst zu einem attraktiven Zielland.

Die internationale Definition ist im Palermo Protokoll festgehalten und beschreibt drei Elemente, die kumulativ, also miteinander auftreten müssen: Tathandlung, Tatmittel und Tatzweck. Die vollständige Auflistung findest Du bei uns unter Menschenhandel oder direkt hierBei Kindern gelten die Handlungen zum Zweck der Ausbeutung auch dann als Menschenhandel, wenn keines der aufgeführten Tatmittel eingesetzt wurde. Die SKP schreibt auf ihrer Homepage: Menschenhandel ist ein Überbegriff und umfasst verschiedene Formen der Ausbeutung. Gemäss Schweizerischem Strafgesetzbuch Art. 182 werden die folgenden Tätigkeiten als Menschenhandel bezeichnet und unter Strafe gestellt: Menschen anwerben, vermitteln, anbieten, beherbergen oder annehmen zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft oder zwecks Entnahme eines Körperorgans.
fedpol (20220): Indikatoren zur Identifizierung potenzieller Opfer von Menschenhandel
Formen von Menschenhandel Zahlen, Daten, Fakten Rechtliche Grundlagen Schweiz Menschenhandel in der Schweiz

Das «Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels» beinhaltet die erste Definition (Art. 3 Definition) des Menschenhandels, die völkerrechtlich bindend ist. Dieses gemeinsame Verständnis ist ein wichtiger Meilenstein in der Bekämpfung des Menschenhandels.

Sie nennt drei Elemente, um den Straftatbestand von Menschenhandel zu erfüllen: Tathandlung, Tatmittel und Tatzweck. Der Titel des Protokolls betont das Anliegen, Frauen und Kinder besonders zu schützen. Die Formulierung der Definition umfasst jedoch alle Menschen, unabhängig von Alter und Geschlecht. Die Vertragsstaaten verpflichten sich dazu, Massnahmen zu ergreifen, damit bestimmte Handlungen (Art. 5 Kriminalisierung) tatsächlich strafbar sind. In der Schweiz ist das Palermo Protokoll seit dem 26. November 2006 in Kraft.

Das Zusatzprotokoll ist eines von dreien, das zur «UN-Konvention gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität» gehört.

Ebenfalls Einfluss auf den Menschenhandel hat das Zusatzprotokoll «Gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg»

Schon die Hintergründe und Mechanismen, die Menschenhandel ermöglichen, sind komplex. Dazu kommen bestens organisierte Akteure von der Rekrutierung über den Transport bis zur Ausbeutung. Diese Vielschichtigkeit erfordert die Zusammenarbeit aller auf der anderen Seite des Verbrechens, um Betroffene zu befreien und nachhaltig zu begleiten. Ziel der Partnerschaften ist es, sich gegenseitig zu ergänzen und weiterzubringen, um vereint und effektiv gegen den Menschenhandel vorzugehen. In der Kooperation werden Erkenntnisse und Erfahrungen geteilt, gemeinsam Strategien entwickelt, Arbeitsbereiche ergänzt und gegenseitig Ressourcen zur Verfügung gestellt. Regelmässige Gespräche, Schulungen und Projekte finden bspw. an kantonalen Runden Tischen, in nationalen Netzwerken oder internationalen Konferenzen statt. Der Austausch fördert zudem ein gemeinsames Verständnis, eine einheitliche Sprache sowie kompatible Vorgehensweisen.

Partnerschaft ist Teil des 4 P Ansatzes, der international zur Bekämpfung des Menschenhandels angewandt wird.

Ziel der Prävention ist es, Menschenhandel zu verhindern. Informationen und Massnahmen sollen dazu beitragen, dass es gar nicht erst so weit kommt. Damit wäre der Menschenhandel am effektivsten bekämpft.

Informationen dienen der Aufklärung und Sensibilisierung. Menschen sollen bspw. wissen, dass es diese Art von Verbrechen gibt, wie Täter vorgehen, wie der eigene Anteil am globalen Menschenhandel aussieht, wie sie bei einem Verdacht oder als betroffene Person vorgehen können.

Beispiele: Kampagnen, Vorträge, Schulungen, Events, Broschüren, Posts, etc.

Massnahmen setzen bei den Umständen an, die zum Menschenhandel führen oder ihn begünstigen. Sie bezwecken Veränderungen der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebensumstände, Rechts- oder Wertesysteme.

Beispiele: Schaffung von Arbeitsplätzen, Schutzhäuser, Bildung, Stärkung der Rechtssysteme, etc.

Beide Bereiche setzen voraus, dass die Zusammenhänge und Mechanismen bekannt sind. Nur so können relevante Ansatzpunkte identifiziert und wirksame Massnahmen ergriffen werden.

 

Prävention ist Teil des 4 P Ansatzes, der international zur Bekämpfung des Menschenhandels angewandt wird.

Die Rettung oder der Ausstieg aus einem Ausbeutungsverhältnis garantieren kein freies Leben. Unabhängig von der Ausbeutungsart besteht für jede Person die Gefahr, erneut gehandelt und ausgenutzt zu werden. Daher braucht es nachhaltige Alternativen, um die Risikofaktoren zu reduzieren und ein neues Leben aufzubauen. Dazu gehört, Betroffene nicht in ihre Familie zurückzubringen, wenn diese sie verkauft hat. Ausbildungs- und Erwerbsmöglichkeiten zu schaffen, Alltagsfähigkeiten zu lernen sowie an der Heilung des erlittenen Traumas zu arbeiten. Nebst der individuellen, inneren Arbeit sind also Veränderungen im Kontext oder ein ganz neues Umfeld gefragt.

Das Phänomen der Reviktimisierung ist in unterschiedlichen Bereichen wissenschaftlich und klinisch ausführlich beschrieben. Bei Kindern, die sexuelle Gewalt erleben, ist bspw. die Wahrscheinlichkeit stark erhöht, dass ihnen als Erwachsene Ähnliches widerfährt.

Wer aussteigen oder fliehen konnte ist nicht automatisch sicher, sondern benötigt Schutz vor den ehemaligen Händlern, Peinigern, manchmal Familienangehörigen und vor einer Reviktimisierung. Ohne echte Alternative sind Überlebende schnell wieder im selben Kreislauf gefangen. Betroffenen von Menschenhandel stehen Rechte zu, die sie meist nicht kennen. Oder nicht bekommen, weil sie gar nicht erst als Opfer von Menschenhandel erkannt werden. Deshalb ist die Identifikation potentieller Opfer von immenser Wichtigkeit. Aufklärung, gezielte Beratung und praktische Unterstützung durch Fachpersonen und Beratungsstellen leisten hier wertvolle Dienste.

Zum Opferschutz gehören

Rettung: Nationale Meldestelle ACT212, Behörden und Dienstleister, Soforthilfe, Safe Houses, etc.

Rehabilitation: Langfristig sichere Unterbringung, medizinische Betreuung, psychologische Unterstützung, Bildung, ggf. Begleitung im Strafverfahren, etc.

Wiedereingliederung in die Gesellschaft: Arbeitsstellen, ggf. Rückführung, finanzielle Starthilfe, etc.

In allen Bereichen benötigt es traumasensibel geschulte (Fach)Personen.

 

Schutz ist Teil des 4 P Ansatzes, der international zur Bekämpfung des Menschenhandels angewandt wird.

Hierbei geht es um die Kriminalitätsbekämpfung. Zum einen betrifft das die rechtlichen Grundlagen: Was ist strafbar, was zählt als Beweis, wie sehen Mindeststrafen aus, Opferschutz und -rechte, etc. Zum anderen gehören spezifische Schulungen für die jeweiligen Fachpersonen in diesen Bereich. Dazu zählen bspw. Anzeichen für Menschenhandel, globale Zusammenhänge und Mechanismen, Täterstrategien, Transkulturelle Kompetenzen und traumainformierte oder -sensible Ansätze. Für die Schulungen, das Erstellen von einheitlichen Identifikations- oder Unterbringungsabläufen und generell den Austausch ist die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden (Polizei, Staatsanwaltschaft) mit NGOs und weiteren Akteuren wichtig.

Strafverfolgung ist Teil des 4 P Ansatzes, der international zur Bekämpfung des Menschenhandels angewandt wird.

Der Bericht über den Menschenhandel (Trafficking In Persons Report) wird jährlich vom US-Aussenministerium erstellt. Er enthält Länderberichte, in denen die erfolgten Bemühungen und Massnahmen im Kampf gegen Menschenhandel in Bezug auf Mindeststandards evaluiert werden. Dazu werden bspw. Informationen von US-Botschaften, anderen Publikationen, Behörden, NGOs, Fachstellen, Nachrichtenartikeln, akademischen Studien, von Regierungen angeforderte Berichte und Statistiken verwendet. Je nach Resultat werden die Länder dann in vier Stufen eingeteilt:

TIER 1: Länder und Gebiete, deren Regierungen die Mindeststandards des TVPA (Trafficking Victims Protection Act, Gesetz zum Schutz von Opfern des Menschenhandels) vollständig einhalten.

TIER 2: Länder und Gebiete, deren Regierungen die Mindestanforderungen des TVPA nicht vollständig einhalten, die aber erhebliche Anstrengungen unternehmen, um die Einhaltung dieser Standards zu erreichen.

TIER 2 Beobachtungsliste: Länder und Gebiete, deren Regierungen die Mindeststandards des TVPA nicht vollständig einhalten, aber erhebliche Anstrengungen unternehmen, um die Einhaltung dieser Standards zu erreichen, und:

> Die geschätzte Zahl der Opfer von schweren Formen des Menschenhandels ist sehr hoch oder steigt deutlich an, und die Regierung ergreift keine angemessenen konkreten Massnahmen; oder

> es fehlt der Nachweis, dass die Anstrengungen zur Bekämpfung schwerer Formen des Menschenhandels im Vergleich zum Vorjahr zugenommen haben.

TIER 3: Länder und Gebiete, deren Regierungen die Mindeststandards nicht vollständig einhalten und keine nennenswerten Anstrengungen unternehmen, um dies zu erreichen.

Die Schweiz befindet sich bereits im zweiten Jahr wieder auf Tier2, weil sie die Mindestanforderungen nicht mehr erfüllt.

International wird Menschenhandel ausgehend von diesen vier Säulen bekämpft. Auch der Nationale Aktionsplan gegen Menschenhandel 2017 – 2020 der Schweiz baute auf diesen Handlungsfeldern auf.

Prevention: Prävention zielt auf Verhinderung des Verbrechens ab. Informationen dienen der Aufklärung und Sensibilisierung. Massnahmen arbeiten auf die Veränderung von Umständen hin, die zum Menschenhandel führen oder ihn begünstigen.

Protection: Schutz der Opfer geht von der Identifikation über die Rettung zur Rehabilitation und Wiedereingliederung der Überlebenden. Ihnen stehen bestimmte Rechte zu, aber oft fehlen Ressourcen (Finanzen, Fachpersonen, geeignete Einrichtungen, etc.) für die Umsetzung, und noch öfters wissen die Betroffenen gar nichts davon. 

Prosecution: Strafverfolgung beinhaltet sowohl rechtliche Grundlagen als auch die spezifische Schulung involvierter Akteure (Polizei, Staatsanwaltschaft, Sozialarbeiterinnen, etc.).

Partnership: Partnerschaft, Kooperation zwischen Akteuren, Behörden, NGO’s, Privatpersonen, Sozialeinrichtungen, etc. um vereint gegen Menschenhandel vorzugehen.